Die Troubadours

Im ausgehenden ersten Jahrhundert nach der ersten Jahrtausendwende entsteht im Süden des heutigen Frankreich eine Liedkunst, die zu den ersten kultivierten musikalischen Stilformen des Abendlands zählt: Die Kunst der Troubadours.
Wobei die Auvergne und das Limousin in jener Zeit noch keineswegs „französische“ Gebiete sind. Man spricht „Okzitanisch“, die Langue d‘oc, deren letzte Ausläufer wir heute noch im Katalanischen klingen hören können.
Die „Trobadors“, wie sie im Okzitanischen heiße, die „Finder“ und „Erfinder“ von Gedichten und der dazugehörigen Musik sind die Ahnherren der späteren höfischen Musik der französischen Trouvères und in gewissem Sinne auch des deutschen Minnesangs. Noch Dante singt zuweilen in Anerkennung der provencalischen Troubadour-Poesie in okzitanischer Sprache.

Liebeslyrik aus der Zeit um 1100

Liebeslieder

Vieles, was noch im heutigen Sprachgebrauch überlebt hat, wenn auch gewiß nicht mehr in der gelebten Realität, die Ritterlichkeit gegenüber Damen etwa, hat seinen kulturellen Ursprung in der Troubadour-Kultur.
Auch wenn davon die Rede ist, daß ein Verehrer einer Dame "den Hof macht", kommt das von den Darbietungen der "Troubadours" und "Trouvères", dem "cour d'amour", den wir auch als "Liebeshof" noch in Carl Orffs auf mittelalterliche Vagantengedichte komponierten Carmina buranafinden.
Die Gesänge von Liebe und Unterwerfung des Liebenden künden von einem Begriff der hohen Liebe, der „Fin Amor“, der heute nur noch zu erahnen ist - und jedenfalls mit Ehe und erfüllter Erotik im modernen Sinn nicht gleichgesetzt werden kann.
Das Liebeslied des Troubadours, Canso genannt, hat mit einem modernen Chanson also weniger gemein als etwa mit einem Lobpreis der Gottesmutter Maria, der in einen weltlichen Kontext gesetzt wird, ohne seine spirituelle, mystische Qualität zu verlieren.

Taglieder

Manche Sonderformen zeigen jahrhundertelang Wirkung auf die europäische Kunstmusik. Die „Alba“ beispielsweise, ein „Taglied“ oder „Wachegesang“ finden wir noch im zweiten Aufzug von Wagners Tristan und Isolde, der, genau genommen, eine riesenhafte, 75-minütige Überformung dieses alten Gesangsschemas darstellt.
Das Wort „Alba“ klingt auch noch im vierten der Stücke aus Maurice Ravels Klavierzyklus „Alborada del gracioso“ nach, einem „Morgenlied des Spaßmachers“, dessen Mittelteil tatsächlich den melancholischen Tonfall alter Troubadour-Gesänge aufnimmt und verwandelt.

Poltische Musik

Auf die populären Melodien der meist gereimten Liebespoesie singt man in jener Zeit gern auch Spott- und Schmählieder politischen Inhalts.

Sirventes, Pastorella

Diese sogenannten „Sirventes“. Hier spiegeln sich die Parteiungen und Richtungskämpfe jener Zeit künstlerisch wider.
Bleibende Spuren haben Formen wie die Ballada oder Dansa mit ihren oft tanzartigen Refrains hinterlassen. Und die Pastorella, die vom vergeblichen Werben eines Ritters um ein hübsches, aber schlaues Bauernmädchen handelt, finden wir noch jahrhundertelang in zahllosen Varianten; besonders charmant etwa im vierten Teil von Joseph Haydns Oratorium Die Jahreszeiten („Ein Mädchen, das auf Ehre hielt“).

Soziale Durchmischung

Interessant ist, daß anders als in späteren Jahrhunderten die Musiker und Komponisten jener Epoche, die Troubaours und Joglars aus allen sozialen Schichten stammen konnten. Völlig undenkbar für spätere Generationen: In der Zeit um 1400 komponieren und singen auch Frauen. So war die Comtessa de Dia (Mitte des XII. Jahrhunderts) eine berühmte „Trobadora“.

Maurische Einflüsse

Spuren hinterlassen hat die musikalische Kultur des Islam in den Melodien und poetischen Formen. Wir befinden uns in der Zeit der Kreuzzüge und im Ausklang der maurischen Kultur auf der iberischen Halbinsel. Bei adeligen Hochzeitsgesellschaften in Spanien musizierten und sangen stets christliche, arabische und jüdische Musiker, deren Kunst sich wechselseitig beeinflußte.

↑DA CAPO



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